Kurt Baumgartner, warum sind Sie so erfolgreich?





Drei Hotels und zahlreiche Immobilien im Unterengadin, laufend neue Ideen, Projekte und Investitionen. 18 Millionen Franken Jahresumsatz, 75 000 Übernachtungen im Jahr und Top-Bewertungen auf den Online-Portalen: Kurt Baumgartner ist einer der erfolgreichsten und innovativsten Hoteliers der Schweiz. Kein Wunder wurde dem 53-jährigen Luzerner im November des vergangenen Jahres der Fach-Award «Hotelier des Jahres 2018» verliehen. Was steckt hinter Baumgartners Erfolgsgeschichte?


Kurt Baumgartner, wer sind Sie?

Ich bin ein begeisterter Hotelier. Trotz Schwierigkeiten, mit denen die Berghotellerie zu kämpfen hat, bin ich hoch motiviert und mit grosser Leidenschaft dabei.

Schwierigkeiten?

Ja, die Hotellerie im Unterengadin ist extrem klein strukturiert. Das heisst: Viele sehr kleine Betriebe können trotz enormem Einsatz kaum rentabel geführt werden. Kurz gesagt: Hohe Kosten und wenig oder gar kein Gewinn. Es täte dem Unterengadin gut, wenn noch ein oder zwei grosse Hotels entstünden, denn neue Hotels bringen neue Gäste auch für kleine Hotels.

Was haben Sie gegen kleine Hotels?

Überhaupt nichts! Aber Häuser, die nur über 10 oder 15 Zimmer verfügen und zusätzlich vielleicht unter einem Investitionsstau leiden, können kaum wirtschaftlich erfolgreich geführt werden. Es braucht eine gewisse Grösse, die Marktregel habe nicht ich festgelegt.

Dies zum Thema Strukturwandel in der Schweizer Hotellerie.

Ja, wir sprechen schon seit Jahren davon. Der Markt verändert sich laufend, wir müssen mitspielen und uns den neuen Wettbewerbsbedingungen stellen.

Warum kann ein kleines Hotel mit nur zwölf Zimmern in den Bergen nicht rentieren?

Moment! Es gibt Kleinsthotels, die erfolgreich sind. Denken Sie zum Beispiel an Caminada. Solche Häuser müssen allerdings glasklar in einer Nische positioniert sein. Ich kann mir gut vorstellen, dass ein Hunde- oder Biohotel funktionieren kann. Ich bin auch der Meinung, dass es kleine Hotels oder Gasthäuser in kleinen Dörfern braucht. Aber sie müssen klar positioniert sein. Was wir nicht brauchen: 25 Hotels in einer Region, und alle machen das Gleiche. Es gibt meiner Meinung nach drei Optionen. Erstens: klein und scharf positioniert. Zweitens: gross und Kosten zusammenlegen. Drittens: neue Konzepte auf der grünen Wiese. Unser Projekt «Flaz» in Pontresina geht ja in die Richtung. Eine Mischung aus «Motel One» und «25hours» in den Bergen.


Die Lounge im Hotel Belvédère mit Blick in die prächtige Bergwelt.



Sie wurden im November «Hotelier des Jahres 2018». Jury und Branche haben gejubelt: Endlich hat Kurt Baumgartner diesen Fach-Award erhalten! Sie gelten als besonders innovativ und kreativ. Ihr Erfolgsprinzip?

Glauben Sie mir, auch bei uns ist nicht alles perfekt. Andererseits haben wir ein Modell gefunden, mit dem man das nötige Geld verdienen kann. Damit sind wir in der Lage, Investitionen aus eigenen Mitteln zu tätigen.

Konkret: Wie verdienen Sie Ihr Geld?

Die Grösse und die Auslastung der Häuser sind wesentliche Erfolgsfaktoren. Dazu kam die Querfinanzierung zu Beginn über Wohnungen, wobei dies nachhaltig geschah. Dank moderner Infrastruktur konnten wir dann die Auslastung steigern. Ein weiterer Erfolgsfaktor sind die Kooperationen mit dem «Engadin-Bad» und den Bergbahnen.

Statt einen eigenen Wellness-Bereich zu realisieren, haben Sie sich dem «Engadin Bad» angeschlossen. Über eine Passerelle gelangen die Hotelgäste (im Bademantel) direkt ins Bad. Ein genialer Schachzug.

Ja, das Konzept ist nach wie vor erfolgreich. Ein weiterer Erfolgsfaktor: Wir haben uns nie eine Dividende ausbezahlt, sondern alle Gewinne wieder in die Häuser investiert. Wir haben unsere Linie im Vier- und Dreisterne-Segment und hatten nie Ambitionen, auch im Luxussegment mitzuspielen. Sich treu und auf dem Boden bleiben – für mich ein wichtiger Lebens- und Geschäftsgrundsatz.

Sie gehören zur raren Spezies von Privathoteliers, die (wirklich nötige, gute) Renditen erzielen und dadurch auch stets investieren können …

Auch wir hatten viel Glück. Als ich vor über zwanzig Jahren nach Scuol kam, hätte ich nie geglaubt, dass wir eines Tages drei Hotels im Dorfzentrum besitzen und führen. Die Häuser kamen genau im richtigen Moment auf den Markt. Und die Zweitwohnungsinitiative war damals noch kein Thema. Wir konnten die Wohnungen beim «Guarda Val» gerade noch bauen und die Erlöse ins Hotel investieren. Heute wäre das wahrscheinlich nicht mehr möglich.

Warum sollte ein Gast bei Ihnen buchen und nicht bei einem Mitbewerber in der Region?

Alle drei Hotels – Belvédère, Belvair und Guarda Val – sind über Passerellen und unterirdische Korridore miteinander verbunden. Der Gast erreicht alle Häuser und alle vier Restaurants über oder durch diese Verbindungen. Wir bieten dem Gast fast alles: diverse Restaurants, Bars, Smokers‘ Lounge, Sportgeschäft, Coiffeur, Vinothek, Spa-, Fitness- und medizinische Angebote im «Engadin Bad», private Spa-Räume im Hotel, Ski- und Bike-Verleih und vieles mehr …

Und das alles ist im Zimmerpreis inbegriffen?

Ja. Alle Eintritte und auch der Skipass für die Bergbahnen.

Der Eingang zum Hotel Guarda Val, einem typischen Bündner Patrizierhaus.



Wie finanzieren Sie die laufenden Investitionen?

Aus dem Cashflow. Es wäre ja keine Lösung, ständig Immobilien zu verkaufen, um das Betriebsdefizit zu decken. Das würden wir nie tun.

Kurt Baumgartner, Sie gelten inzwischen als Vorbild für die ganze Branche.

Moment! Uns geht es gar nicht so gut. Uns geht es so gut, dass wir laufend in unsere Häuser die benötigten Investitionen tätigen können.

Können Sie das in Zahlen ausdrücken?

Unsere Hotelgruppe erzielt derzeit einen Jahresumsatz von rund etwa 18 Millionen Franken – früher waren es fast 20 Millionen. Die Jahresauslastung liegt bei 73 Prozent. Früher lagen wir bei über 80 Prozent. Die Krisenjahre sind auch an uns nicht spurlos vorübergegangen. Trotzdem haben wir in schwierigen Zeiten investiert und die Kapazitäten erhöht.

Hat Kurt Baumgartner so etwas wie eine Vision, was seine Hotels betrifft? Anders gefragt: Ist es Ihr Ziel, eines Tages eine Gruppe von zehn oder mehr Hotels zu besitzen?

Nein. Was mich derzeit mehr beschäftigt als Visionen und Wachstumspläne: Wie entwickelt sich der Ferientourismus im Unterengadin und überhaupt im Schweizer Alpenraum? Wie entwickelt sich die Destination Scuol? Ist Scuol in Zukunft in der Lage, in die touristische In­frastruktur zu investieren? Hinzu kommen Fragen zu Klimawandel, Wintertourismus, Nachhaltigkeit …

Das Hotel Guarda Val verfügt über einen Innenhof, der wie ein Museum anmutet.


Lounge-Terrasse im Grand Hotel Belvedere. Von hier aus blickt man auf die wundervolle Bergwelt des Unterengadins.



Alles gut und recht, aber was sind aktuell Ihre Pläne?

Mir geht es darum, unser heutiges Resort in Scuol laufend weiterzuentwickeln und die Angebote dem Markt anzupassen. Vielleicht kommt eines Tages noch eine schöne Berghütte dazu, wer weiss …

In Pontresina planen Sie ein New-Generation-Hotel nach dem Vorbild von «Motel One» und «25hours». Das Haus hat 98 Zimmer und kostet etwa 20 Millionen Franken. Wie sind Sie darauf gekommen?

Meine Meinung: Was in Städten wie Zürich oder Basel möglich ist, kann auch in den Bergen funktionieren. Warum also nicht ein cooles, trendiges, stark digital geprägtes Berghotel für junge und jung gebliebene Leute, die etwas andere Bedürfnisse haben als der konventionelle Halbpensionsgast? Wir brauchen neue, zeitgemässe Hotelkonzepte. Auch im Berggebiet.

Ganz so neu ist ja die Idee mit dem New-Generation-Hotel in den Bergen nicht, denn auf der Lenzerheide existiert seit gut einem Jahr die «Revier Mountain Lodge», und in Schönried im Berner Oberland gibt es das «Huus», das stark an «25hours» erinnert.

Der Unterschied zum «Revier», das sehr junge Leute um die 25 anspricht: Die Gäste im «Flaz» werden etwa zehn Jahre älter sein, verdienen hoffentlich bereits gutes Geld, suchen aber ein cooles Hotel in den Bergen. Wenn der 55-jährige Vater mit der 17-jährigen Tochter in die Skiferien geht und nicht unbedingt im klassischen Viersterne-Superior-Hotel absteigen will, geht er eben ins «Flaz». Hier ist alles locker und lässig, man checkt übers Smartphone ein und bucht den Tisch im Restaurant über die App. Die Lobby ist ein grosses Wohnzimmer, wo sich die Gäste treffen und vergnügen, ein DJ legt auf, dazu verzehrt man einen Burger mit Frites. Auf Hotelsterne verzichten wir bewusst. Leider sind derzeit noch einige Einsprachen hängig, sodass wir mit dem Bau frühestens 2020 starten können. Wir rechnen mit einem Bundesgerichtsentscheid spätestens im Frühling 2020. Die Eröffnung wäre dann im Herbst 2022 möglich. Trotz Einsprachen und behördlichen Hürden ist das Projekt in Pontresina ein Glücksfall, denn Betreiber und Investor sind im Boot, die Finanzierung steht.

Ein weiteres Projekt von Kurt Baumgartner ist das «Scuol Resort» direkt bei der Bergbahn.

Dort planen wir – zusammen mit Partnern – ein modernes Design-Hotel mit 100 Zimmern und zusätzlichen, bewirtschafteten Wohnungen. Die Investitionssumme liegt zwischen 20 und 50 Millionen Franken. Wir, die Belvédère AG, sind eventuell Betreiber des Hotels und daran auch finanziell beteiligt, wollen und können dies aber ganz klar nicht alleine machen.

Was planen Sie sonst noch?

Die Liegenschaft neben dem Hotel Belvédère, wo heute ein Sportgeschäft existiert, gehört uns. Das Haus ist fast 50-jährig und hat nächstens Sanierungsbedarf. Hier sehe ich die Chance, unser bestehendes Resort durch zusätzliche Hotelzimmer, Wohnungen und Wellness-Angebote zu erweitern.

Was viele Hoteliers in den Bergen nicht schaffen, haben Sie geschafft: Ihre Hotels sind mehr oder weniger Ganzjahresbetriebe.

Ja, wobei wir zwischendurch (meistens im Frühling) einen Monat schliessen, um die nötigen Investitionen zu tätigen.

Sie sind jetzt 53 und stehen mitten im Leben. Haben Sie sich über Ihre Nachfolge und die Zukunft Ihres «Lebenswerks» schon Gedanken gemacht?

Gute Frage. Ich habe das Privileg, in allen drei Betrieben hervorragende Direktoren zu haben. Die beiden Direktoren und die Direktorin im «Belvair» machen einen tollen Job. Ich bin gerne bereit, Verantwortung zu delegieren. Nun, ich habe vier Kinder. Möglich, dass eines der Kinder später in die Hotellerie einsteigt.

Sie hätten ja auch die Option, die «Baumgartner-Hotelgruppe» später einmal zu verkaufen. Gut geführte und erfolgreiche Schweizer Hotels sind begehrt.

Die Hotels verkaufen? Nein, derzeit ist das keine Option. Klar, ich hatte auch schon Anfragen, vor allem von ausländischen Investoren.

Sie haben die operative Führung zum Teil schon an Ihre drei Direktoren bzw. die Direktorin abgegeben.

Ich sage Ihnen, das ist ein sehr schwieriger Prozess! Andererseits ist es mein Ziel, mich vor allem auf strategische Dinge zu konzentrieren. Aufbauen ist einfacher als abgeben.

Scuol ist nicht Zermatt oder St. Moritz, also kein weltberühmter Touristen-Hotspot. Trotzdem läuft der Tourismus hier (sehr) gut. Oder wie sehen Sie das?

Wir sind eine Spitzenmannschaft in der Nationalliga B. Zermatt und St. Moritz spielen in der Nationalliga A. Ich sage es Ihnen ganz offen: Auch wenn es uns derzeit gut geht, Scuol macht mir auch Sorgen. Wohin geht die Reise der Destination? Wo stehen wir in 20 Jahren? Wichtig scheint mir, dass wir eine gewisse Grösse erreichen, damit meine ich auch die Bergbahnen. Derzeit machen die 16 Bahnen und Lifte einen Jahresumsatz von 12 bis 15 Millionen Franken, ich wünschte mir 2 bis 3 Millionen mehr. Sind Bergbahnen und «Engadin-Bad» in Zukunft in der Lage, die nötigen Investitionen zu tätigen? Alles Fragen, die uns beschäftigen.

Der Klimawandel beschäftigt Politiker und Wissenschafter, aber auch Touristiker. Was, wenn eines Tages fast kein Schnee mehr fällt und der Wintertourismus in eine existenzielle Krise gerät?

Für Scuol, wo das Hauptskigebiet auf 2200 bis 2800 Metern liegt, sehe ich kurz- und mittelfristig noch keine Probleme. Tiefere Regionen um 1000 bis 1500 Meter werden jedoch unter dem mangelnden oder ausbleibenden Schnee leiden. Doch wir sprechen hier von einem Zeithorizont von 20 bis 30 Jahren. Ein anderes Problem ist die Tatsache, dass junge Menschen nicht mehr Ski fahren. Ski alpin ist für 20- bis 25-jährige Menschen schlicht kein grosses Thema mehr.

Wo sehen Sie die Chancen fürs Berggebiet?

Nur ein Beispiel: Viele Menschen, die heute in Städten oder städtischen Agglomerationen leben, haben eines Tages die Nase voll vom hektischen Stadtleben, vom täglichen Verkehrschaos in Zürich-Nord. Fazit: Sie ziehen in die Berge. Ich kenne 55- bis 70-Jährige, die in den Bergen eine Wohnung kaufen. Sie haben die Welt gesehen, jetzt wünschen sie sich Ruhe, eine intakte Natur und eine gute medizinische Versorgung. Deshalb ist auch der Gesundheitstourismus – gerade im Berggebiet – eine grosse Chance für Tourismusanbieter und Hotels.

Der Bergsommer gilt seit Jahren als eine der grössten touristischen Herausforderungen. Wie kann man den Sommer in den Alpen aktivieren und eine gute Wertschöpfung erzielen? Haben Sie eine Idee?

Derzeit setzen viele Bergdestinationen und Hoteliers auf Themen wie Bike oder E-Bike. Kann eine Chance sein, um den Sommer zu aktivieren. In Scuol erzielen wir immerhin die Hälfte der Logiernächte im Sommer. Zum Beispiel in Arosa sieht das Ganze anders aus. Vielleicht erleben wir eines Tages eine Renaissance des Wassers in den Bergen. Früher waren Kurbäder, Trinkhallen und Wassertherapien ein grosses Thema. Das wiederum hängt mit dem Gesundheitstourismus zusammen. Scuol ist in dieser Hinsicht bereits ordentlich aufgestellt. Wir haben ja Quellen, Bäder und ein Spital im Dorf.

Was sollte ein Hotelier besonders beachten, wenn er – so wie Sie – nachhaltig Erfolg haben will?

Erstens: Er muss die Gäste lieben. Der Kunde steht immer im Zentrum. Zweitens: Das Produkt muss markt- bzw. wettbewerbsfähig sein. Das Hotel sollte einzigartig und klar positioniert sein. Drittens: Es braucht eine gewisse Grösse in der Hotellerie. Es ist schwierig oder oft unmöglich, mit nur 10 oder 15 Zimmern Geld zu verdienen. Ich sage: 100 Betten sind schon fast das Minimum. Viertens: Der Hotelier muss ein guter Kommunikator sein und Menschen mögen.

Hotels im Berggebiet sind in der Regel in Privatbesitz und Inhaber-geführt. Vor- oder Nachteil?

Für mich, sofern die übrigen Parameter Grösse stimmen, ein klarer Vorteil, denn ich kann sofort entscheiden. Andere müssen zuerst einen Verwaltungsrat oder die Investoren anrufen. Als Privathotelier lege ich die Strategie des Hauses fest. Ich bin unabhängig und kann unternehmerisch handeln, gehe dabei natürlich auch Risiken ein. Abgesehen davon fliesst das verdiente Geld in die eigene Kasse und nicht in Form einer Management Fee an einen Konzern im Ausland. Ich kann diese 4 oder 5 Prozent investieren.

Als Hotelier sind Sie ja immer auf gute, geeignete und motivierte Mitarbeiter angewiesen. Viele Hoteliers sehen im aktuellen Fachkräftemangel eine der grössten Herausforderungen. Wie ist das bei Ihnen?

Ja, das macht mir echt Sorgen. Wir beschäftigen hier einige Grenzgänger. Mitarbeiter, die im nahen Südtirol oder in Österreich leben und hier arbeiten. Ein Glücksfall.

Ich sage: Zwei Drittel der Schweizer Hotels sind nicht klar positioniert, sie sind austauschbar. Mal ganz konkret: Wie sind Ihre drei Häuser positioniert?

Einzigartig ist bei uns allein schon die Tatsache, dass wir drei unterschiedliche Häuser im Dorfzentrum betreiben. Alle drei Hotels sind unterirdisch und über Passerellen miteinander verbunden und bieten fast alle Leistungen an, die der Gast in einem Ferien- oder Wellness-Resort erwartet. Das Hotel Belvédère ist ein 150-jähriges Grandhotel mit den Positionierungsmerkmalen Familien und Freizeitsport (Stichwort E-Bike), das «Guarda Val» ein kleines, feines Boutique-Hotel mit der Themenwelt Gourmet, regionale Küche, die Zielgruppe sind Ruhe suchende Paare. Das Badehotel Belvair hingegen setzt auf ältere Gäste, Spa- und Gesundheitsangebote. Das Besondere: Egal, in welchem Hotel der Gast wohnt, er kann sämtliche Leistungen der drei Häuser nutzen – von der Vinothek über die vier Restaurants, den Sportladen mit Ski- und Bike-Verleih und den Coiffeur bin zu den Bade- und Wellness-Welten. Einzigartig in der Schweiz.

Wobei Hotelkooperationen in der Schweiz ja keine Neuheit sind. In Grächen und im Lötschental zum Beispiel haben sich mehrere Hotels zusammengeschlossen. Vorteil für den Gast: Er kann, so wie bei Ihnen, die Leistungen aller Häuser nutzen.

Solche Kooperationen sind wünschenswert, aber mit dem, was wir in der Belvédère-Gruppe tun, nicht ganz vergleichbar. Sind doch unsere drei Hotels alle mit internen Passarellen verbunden und dies mitten im Dorf.

Warum?

Wir kooperieren intern. Wir erbringen die Leistungen unter einem Dach – nämlich unter dem Dach der drei unterschiedlichen Häuser. Ich kann die Synergien innerhalb der Gruppe voll ausspielen. Und erst die Kosten! Reservationswesen, Finanzen, Personalwesen, Sales und Marketing, Werbung, Einkauf und viele andere Dinge sind zentralisiert, damit spare ich Kosten. Und noch etwas: Ist das «Belvédère» voll besetzt, habe ich die Möglichkeit, Gäste im «Guarda Val» oder im «Belvair» unterzubringen.

Ihre drei Hotels treten auf der Website als eigenständige Hotels in Erscheinung. Andererseits gehören Sie ja zur gleichen Gruppe…

Sie sprechen einen wichtigen Punkt an. Wir planen derzeit ein Re-Branding, sodass auch optisch klar ist, dass alle drei Hotels zwar unterschiedlich positioniert sind, aber zur gleichen Gruppe gehören.

Wir sprechen von Branding und Marke. Wie lautet die Markenbotschaft der Belvédère-Hotels?

Kurz gesagt: Drei individuelle Hotelprodukte aus einer Hand. Der Gast wählt sein Haus, profitiert aber von sämtlichen Leistungen und Angeboten der drei Häuser. Diese Botschaft werden wir künftig noch stärker betonen.

Themenwechsel: Wie lautet Ihre Preisstrategie in Zeiten des Revenue Management?

Yield Management praktizieren wir im «Guarda Val», im «Belvédère» nur beschränkt, weil wir dort einen hohen Anteil Stammgäste haben. Im «Belvair» hingegen ist Yield Management kein Thema. Unsere Senioren sind fixe Preise gewohnt. Da wir sehr viele Leistungen inkludiert haben (Stichwort Skipass), sind wir deswegen auf Booking.com nicht sehr attraktiv. Da bewegen wir uns preislich stets im obersten Bereich. Dies ist natürlich eine Herausforderung.

Warum bieten Sie nicht auch Zimmer ohne Zusatzleistungen an? Für Gäste, die bewusst auf Skipass und Wellness verzichten wollen?

Natürlich wäre es nicht schlecht, wenn wir ein Haus hätten, wo man primär Zimmer verkauft. Gerade für Gruppen sind wir oft zu teuer. Die verlangen nur Zimmer, kein Package. Wir haben uns kürzlich in einer Klausur in Zürich tatsächlich überlegt, ob wir den Skipass in einem der drei Häuser streichen wollen. Wir sind davon abgekommen, denn der inkludierte Skipass ist ein hervorragendes Alleinstellungsmerkmal, das wir nicht einfach so aufgeben sollten. Zudem wird der Skipass von den Gästen aktiv genutzt. Im «Flaz» in Pontresina wird das wahrscheinlich völlig anders sein, da werden wir nur Zimmer verkaufen, alle andern Leistungen wie Frühstück oder Spa sind extra.

Preis-Dumping – ein Thema in den Belvédère-Hotels?

Nein, machen wir nicht, da sind wir recht strikt. «Prostitution», wie sie in manchen Feriendestinationen stattfindet, ist bei uns kein Thema.

Booking.com beherrscht immer mehr die Hotellerie, viele Hoteliers sind abhängig von den OTA. Wie ist das bei Ihnen?

Nur etwa 5 Prozent der Buchungen laufen bei uns über Booking.com & Co. 95 Prozent der Reservationen kommen direkt.

Das heisst, Ihre Hotels leben vor allem von Stammgästen?

Ja, der Anteil ist extrem hoch, 60 bis 80 Prozent. Auch dank der hohen Auslastung sind wir derzeit noch in der komfortablen Lage, dass wir unsere Zimmer nicht primär über die Online-Plattformen verkaufen müssen. Wobei wir den Markt sehr aufmerksam beobachten. Noch sind wir auf dem richtigen Weg, aber das kann sich jederzeit ändern.

AirBnb erobert laufend Marktanteile und macht vielen Hoteliers zu schaffen, auch im Berggebiet. Wie ist das in Scuol?

Auch in Scuol gibt es immer mehr AirBnb-Angebote. Ob das für uns Hoteliers wirklich eine Konkurrenz ist? Ich glaube nicht. Wir bieten dem Gast eine Leistung, die er so bei AirBnb nicht bekommt. Kann sein, dass er mal eine Wohnung mietet, später steigt er wieder im Hotel ab.

Gibt es in Graubünden Viersterne-Hotels, die konzeptionell mit den Belvédère-Hotels von Kurt Baumgartner vergleichbar sind?

Ja, das Hotel Saratz in Pontresina zum Beispiel oder der «Schweizerhof» von Claudia und Andreas Züllig auf der Lenzerheide. Andy Züllig setzt auf Gastronomie, Wellness und Bike, so wie wir auch, zudem hat auch sein Haus einen hohen Anteil treuer Schweizer Gäste. Doch wir sind freundschaftlich verbunden und tauschen uns regelmässig aus. Nur der F & B-Anteil ist im «Schweizerhof» etwas höher, glaube ich.

Sie bieten Ihren Gästen vier verschiedene Restaurants: Gourmet, Halbpension, ein Thai-Lokal, ein Bistro. Was fehlt Ihnen noch?

Vielleicht ein schönes Bistro, wo man mittags einen Flammkuchen essen kann. Doch ich habe nicht die Absicht, den Bereich F & B zu erhöhen, denn jeder Hotelier weiss: Food & Beverage ist kostenintensiv und in der Regel wenig rentabel.

Warum eröffnen Sie nicht eine Pizzeria? Damit lässt sich gutes Geld verdienen.

Wir hätten in der Tat eine Pizzeria übernehmen können, doch das passt nicht in unser Konzept.

Zum Schluss: Wie sehen Sie die touristische Zukunft in der Region Unterengadin?

Für die nächsten 10 bis 20 Jahre bin ich optimistisch. Die gut verdienenden Babyboomer kommen jetzt ins Pensionsalter. Die profitieren von den gefüllten Pensionskassen. Das generiert auch touristische Nachfrage.

2018 war für die Schweizer Hotellerie und den Tourismus allgemein ein hervorragendes Jahr, sagen Statistiker und Verbände.

Hervorragend ja, vor allem in den Städten. Ich habe mich gerade gestern an einem touristischen Anlass geärgert. 2018 sei ein «Superjahr» gewesen, wurde da erklärt. Ich sage: 2018 war im Schnitt der letzten fünf Jahre. Damit ist die Berghotellerie noch lange nicht gerettet.

Schweiz Tourismus setzt auf die neuen Wachstumsmärkte wie China, Indien, Brasilien. Doch das Unterengadin steht völlig abseits und profitiert kaum von den Touristenströmen aus Fernost.

Richtig, in der Schweiz liegt der Anteil an Chinesen im Schnitt bei 23 Prozent, im Kanton bei 6 Prozent. Wir leben hier von Schweizer Gästen.

Warum besuchen so wenige Chinesen das Unterengadin?

Wenn Asiaten erstmals nach Europa und in die Schweiz reisen, dies vor allem in Gruppen, besuchen sie die bekannten touristischen Hotspots wie Zermatt-Matterhorn, Jungfraujoch, Luzern oder den Titlis. Da spielt das Unterengadin keine Rolle. Die Erfahrung zeigt: Später, wenn die Chinesen die Schweiz als Individualgäste bereisen, besuchen sie auch Randregionen – nicht nur das Jungfraujoch. Ich bin überzeugt, dass wir schon in wenigen Jahren mehr asiatische Gäste haben werden. Das wird unsere Schweizer Gäste nicht stören. Zurzeit läuft gerade eine Offensive in Zusammenarbeit von «Hotellerie Suisse Graubünden» und «Graubünden Ferien», um diese Märkte zu erschliessen.

Schweizer Gäste dominieren aktuell den Tourismusmarkt im Engadin. Schön und gut, aber existiert nicht die Gefahr, dass die Schweizer ihrer Heimat untreu werden und im Winter, wenn hier wenig Schnee liegt, in ferne Länder reisen?

Vor wenigen Tagen hat mich ein Gast aus Rapperswil angerufen und gesagt: Ihr habt ja fast keinen Schnee, ich fliege jetzt nach Abu Dhabi. Natürlich frage ich mich: Ist das die Zukunft? Liegt kein Schnee, fliegt man kurzfristig in die Badeferien nach Thailand, und das erst noch unglaublich günstig? Die Welt verändert sich aufgrund der Digitalisierung rasant, alles ist kurzfristig und jederzeit verfügbar, das Fliegen wird immer billiger, die Urlaubsangebote werden immer grösser … Das Bahnticket von Scuol nach Genf ist teurer als der Flug von Zürich nach Bangkok.

Ex-Schweiz-Tourismus-Chef Jürg Schmid – er sitzt ja auch bei Ihnen im Verwaltungsrat – geht davon aus, dass die Kunden- und Gästeloyalität in Zukunft massiv abnehmen wird. Teilen Sie seine Meinung?

Leider ja.

Sie haben 60 bis 80 Prozent Stammgäste. Was, wenn diese – heute noch loyalen Gäste – eines Tages nicht mehr kommen?

Die eine Theorie ist, dass diese Gäste in der Tat abwandern. Die andere Theorie geht davon aus, dass Gäste, welche die halbe Welt gesehen haben, keine Lust mehr haben, auf die Malediven zu fliegen. Die verbringen ihren Urlaub lieber am Genfersee, im Tessin oder in Scuol. Warum? Weil sie die Nase voll haben von überfüllten Flughäfen und Massentourismus. Zudem sind Flugreisen alles andere als umweltverträglich. Immer mehr Gäste werden sich dessen bewusst. Darin sehe ich Chancen für unser Berggebiet.

WER IST KURT BAUMGARTNER?


Der Hotelier wurde am 17. September 1965 in Kriens LU geboren. Nach den Schulen und einem Sprachaufenthalt in Toronto und Montreal machte er eine Kochlehre im Hotel Wilder Mann in Luzern, dann besuchte er die Hotelfachschule Luzern (SHL), später folgte ein Nachdiplomstudium (NDS). In seinen «Wanderjahren» arbeitete Baumgartner u. a. als Koch, Service-­Angestellter, Direktionsassistent (Leukerbad), F & B Controller, Restaurantmanager (St. Petersburg), Operations- und Hotel-Manager. Zusammen mit seiner Frau führte er 1996/97 das Hotel Bären in Sigriswil, es folgte eine Pacht im Viersterne-Hotel Hohenfels in Arosa. Seit Frühjahr 1999 wirkt das Ehepaar Baumgartner in Scuol im Unterengadin. Kurt Baum­gartner ist aktuell Besitzer und VR-Präsident der Belvédère Scuol AG (Hotel Belvédère, 4 Sterne Superior), zudem besitzt er die Hotels Belvair (3 Sterne) und das Boutique-Hotel Guarda Val (4 Sterne). Seit 2009 ist er zudem Besitzer und VR-Präsident der Baumgartner Immo Scuol AG, seit 2018 VR-Präsident der KHolding AG und der JHolding AG, seit 2019 VR-Präsident der Hotel Flaz AG. Kurt Baumgartner sitzt u. a. auch im Verwaltungsrat der Bergbahnen Motta Naluns in Scuol und im VR der Estag (Engadin Scuol Tourismus AG). Daneben ist er Vorstandsmitglied bei Hotelleriesuisse Graubünden. Baumgartner ist mit Julia Baumgartner verheiratet und Vater von vier Kindern. Seine Hobbys: Biken, Rennradfahren und die Familie. Er ist Mitglied des Rotary Clubs und des Skal Clubs Engadin.
Fotos: Holger Jacob
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