Lange Kündigungsfrist birgt Gefahrenpotenzial

Zu Beginn eines Anstellungsverhältnisses definieren die Parteien die Kündigungsfristen. In diesem Moment sind beide, Arbeitnehmende wie Arbeitgebende, optimistisch. Sie können sich meist nicht vorstellen, dass das was gerade beginnt, vielleicht wieder einmal endet. Entsprechend hält man sich insbesondere bei Kaderstellen oft an die irgendwo kursierende Regel, dass die Kündigungsfrist möglichst lang sein soll. Das kann böse ins Auge gehen. 


Bei Direktions- oder Kaderstellen ist die Haltung weit verbreitet, dass man länge­re Kündigungsfristen vereinbart, als der L-GAV oder das OR vorsehen. Der L-GAV definiert in Art. 6, dass die Kündigungsfrist in den ersten fünf Dienstjahren einen Monat dauert, danach zwei Monate. Das Obligationenrecht sieht vor, dass nur im ersten Dienstjahr die Kündigungsfrist einen Monat beträgt, dann vom zweiten bis neunten Dienstjahr zwei Monate und ab dem zehnten Dienstjahr gilt eine dreimonatige Frist (Art. 335c OR). 

Was ist Zweck einer Kündigungsfrist?
Sinn und Zweck der Kündigungsfrist ist einerseits, Mitarbeitende davor zu schützen, allzu schnell auf der Strasse zu landen. Während der Kündigungsfrist sollen sie Gelegenheit haben, eine neue Stelle zu suchen. Da der Bewerbungsprozess immer eine gewisse Dauer in Anspruch nimmt, wären sehr kurze Kündigungsfristen mit dem erhöhten Risiko verbunden, vorübergehend arbeitslos zu werden. 

Auch die Arbeitgeberseite hat ein Interesse, nicht über­raschend eine Stelle unbesetzt zu haben, weil ein Mitarbeiter quasi von einem Tag auf den anderen nicht mehr im Betrieb ist. Wie gesagt, der Bewerbungs- bzw. Auswahlprozess braucht seine Zeit. Ein Monat ist da­­bei schon eher knapp, aber zwei Monate sollten im Normalfall ausreichen. Trotzdem denken Arbeitgeben­­de häufig, mit längeren Kündigungsfristen die Mitarbeitenden besser an den Betrieb binden zu können. 

Praktisch denken hilft
Manchmal lohnt es sich, praktisch zu denken: Mitarbeitende, die den Betrieb verlassen möchten, sind nicht mehr sonderlich motiviert. Die Arbeitsqualität nimmt eher ab als zu. Das kann zur Unzufriedenheit der Gäste führen und Konflikte unter den Mitarbeitenden mit sich bringen. Je höher die Position der weggehenden Person im Betrieb ist, umso grösser ist das Schadenpotenzial. Viele Vorgesetzte kennen die Erfahrung: Erst nach dem Weggang der Kaderperson ent­decken sie, welche Arbeiten liegen geblieben sind und welche Fehler gemacht wurden. Zudem haben Mitarbeitende noch andere Mittel und Wege, quasi vorzeitig auszusteigen. Ein Arztzeugnis kriegt man heutzutage rasch. In extremis kommen sie einfach nicht mehr zur Arbeit. Gemäss Art. 337d OR muss in solchen Fällen arbeitnehmerseitig ein Viertel Monatslohn Entschädigung bezahlt werden, ausser der Betrieb kann einen höheren Schaden beweisen. Aber welcher Betrieb klagt schon gegen ehemalige Mitarbeitende? Aufwand und Ertrag sind selten im Gleichgewicht. Und wenn der Anspruch auf den 13. Monatslohn anteilsmässig auf den Monatslohn ausbezahlt wird, ist das Verrechnungspotenzial geringer. Lange Kündigungsfristen haben für den Betrieb in der Realität kaum Vorteile. Sie bergen dafür grosses Gefahrenpotenzial. 

Teure Freistellung häufig einzige Option
Es kommt natürlich vor, dass sich ein Betrieb von vereinzelten Mitarbeitenden trennen will. Wird gekündigt, muss man sich in die Psyche der gekündigten Person versetzen: Sie wird kein Geschäftsinteresse mehr haben. Die Gefahr, dass sie in den letzten Wochen und Monaten ihrer Anstellung Schaden anrichtet, ist latent. Also bleibt häufig nur das Mittel der Freistellung. Diese ist erstens teuer und zweitens nicht frei von rechtlichen Problemen. Überstundenabbau oder Ferienbezug muss in der Freistellungszeit beweisbar angeordnet werden. Die Anordnung von Ferienbezug in der Kündigungsfrist kann heikel sein, je nach Verhältnis zwischen der Dauer der Kündigungsfrist und dem verbleibenden Ferienanspruch. Wenn die betroffene Person in der Freistellungszeit krank wird, verlängert sich das Anstellungsverhältnis und um mindestens einen Monat. Automatisch kommt die Frage auf, ob die Freistellungserklärung in diesem Falle ­gültig ist. In der Praxis wird man es dabei belassen, denn eine faktisch ausgeschiedene Person will man kaum zurück. Aber die Kosten der Freistellung er­­höhen sich. 


Vorsicht vor wenigen fixen Kündigungsterminen
Vor einiger Zeit ist mir ein Direktionsvertrag mit einer viermonatigen Kündigungsfrist vorgelegt worden. Darin gab es nur zwei Kündigungstermine im Jahr, nämlich jeweils auf Ende Sommer- (April/Mai) und Ende Wintersaison (Oktober/November). Man beabsichtigte, auf Ende November zu kündigen. Aus Sicht des Betriebes war die Direktorin unglücklicherweise genau in den letzten Juli-Wochen krank und damit kündigungsgeschützt. So konnte man ihr nicht innerhalb der vier Monate kündigen. Das Ergebnis war, dass frühestens und erst auf Ende April des nächsten Jahres gekündigt werden konnte. Hier hat der auch für Kaderpersonen geltende Sperrfristenschutz dazu geführt, dass das Anstellungsverhältnis ein halbes Jahr länger dauert als beabsichtigt. Ist die Unzufriedenheit mit der Direktion gross, so bleibt abermals nur die Freistellung. Fazit all dieser Überlegungen: Lange Kündigungsfristen sind selten eine Lösung, sondern häufig ein Problem. 

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